Batomae und Staubkind 2017
Es kommt nicht drauf an, was man trinkt, sondern mit wem man trinkt.
   David Müller (Batomae)



Nürnberg, Hirsch , 07.04.2017




Batomae

Schlange stehen nach dem Konzert beim Merchandise. Nicht gerade ungewöhnlich, noch dazu, wenn die Musiker des Tages für Autogramme zur Verfügung stehen. Wenn es aber zwei Schlangen gibt, eine davon bei der Vorband, dann ist das eher ungewöhnlich. Nach dem Auftritt von Batomae allerdings keine Überraschung. Ich kann mich trotz vieler sehenswerter Supportbands nicht daran erinnern, dass eine Band je so exorbitant gut beim Publikum angekommen ist, wie die 4 an Revolverheld erinnernden Jungs aus Paderborn. Nicht gerade die schlechteste musikalische Reverenz und das mit einem höchst ungewöhnlichen Projekt. Die Musik zu einem Roman.  Dort wo die Worte des Buchs enden, da beginnt die Musik von Batomae. Sie haben den Soundtrack zum Roman von Jana Crämer „Das Mädchen aus der 1. Reihe" geliefert, eine Herzensangelegenheit in vielerlei Hinsicht. Sie Managerin bei Luxuslärm, Er Bassist dieser Band und zusammen schlicht "Best Friends“.
Soundtrack zu Filmen sind ja alltäglich, zu einem Buch eher die große Ausnahme. Schon gleich, wenn man in dem Buch scheinbar eines der banalsten Themen des menschlichen Seins behandelt - Essen und sich damit eines Tabuthemas annimmt. Denn über Essstörungen wird selten offen geredet, vieles wird totgeschwiegen, es wird bewusst weggeschaut und oft der Kopf hinter den Rücken der Betroffenen geschüttelt und sich der Mund zerrissen.
Das in großen Teilen autobiographische Buch findet an diesem Abend ebenfalls viele Abnehmer, kein Wunder, schafft es Bartomae doch perfekt mit ihren Songs einen unglaublich neugierig auf das Buch zu machen. Grund sind aber nicht nur die Lieder an diesem Abend, es ist auch der charismatische Bassist am Mikrofon, der zum Glück vom Bassmann zum Leadsänger befördert wurde. Eine Rolle die er perfekt ausfüllt und mit Unterstützung seiner 2 Brüder und einem "Bruder im Geiste" an den Drums, fesselt, betroffen macht und einen sehr nachdenklich zurücklässt, als man die Bühne wieder verlässt.
Anders als bei Supportbands gewohnt, wird hier nicht versucht in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Songs unterzubringen, hier gehört Batomae die Bühne scheinbar ohne Zeitdruck und man nützt die um nicht nur zu musizieren, sondern auch zu erzählen und das Publikum hört dabei immer gebannter zu. „Menschen werden erst durch Fehler besonders", Worte die ihre Wirkung nicht verfehlen, genauso wie das dazu passende Lied "Unvergleichlich". Eine passende Antwort von Batomae zum Schönheitswahn unserer Zeit und zum irrsinnigen Streben nach vollkommener Perfektion.
Übrigens wurde Dank einer Crowdfunding-Kampagne mit 536 Unterstützern  eine Konzert-Lesung von Jana und Batomae in Schulen möglich, ein weiteres außergewöhnliches Projekt außergewöhnlicher Menschen. 

Vorgestellt wurde die Band an diesem Abend vom Staubkind Sänger Louis Manke höchstpersönlich, was genauso für ihn spricht, wie die Möglichkeit, dass sich Batomae so präsentieren kann. Die 2 Bands passen musikalisch aber auch bestens zusammen. Das Gesamtpaket, dass der Konzertbesucher für sein Eintrittsgeld an diesem Abend geboten bekommt ist wirklich famos. Und es ist nicht schwer, den 4 Daltons noch eine ganz große Karriere zu prophezeien. Die 4 wirken ja nicht gerade wie die bekannte etwas tollpatschige Verbrecherbande bei Lucky Luke, machten sich aber doch gleich eines Verbrechens an diesem Abend schuldig, durch die gnadenlose Infizierung des Publikums mit ihrem Liedgut, die dazu führt, dass man gerne und schnell mehr davon will. Spätestens wenn die Liebhaber von Revolverheld Batomae erst einmal entdeckt haben, dann gibt es kein Halten mehr. Tollpatschig können sie übrigens auch, wie der laute Bier-Plopp am Anfang des Konzerts deutlich zeigte. Schon damit hatten sie die Lacher auf ihrer Seite und beim Publikum gewonnen. 

Staubkind


Hatte man nach dem denkwürdigen Batomae-Auftritt gerade mal so einigermaßen seine Gefühlswelt wieder geordnet, da brachte Staubkind die gleich mal wieder ins Wanken. Poppig ist es geworden das neue Album "An jedem einzelnen Tag" verbunden mit der Aufforderung an die Hörer jeden einzelnen Tag zu etwas Besonderem zu machen. Das Album verbreitet, wie der ganze Abend eine entsprechend positive Stimmung und es lohnt, auf die Texte zu hören, in dem man vieles wiederfindet, was einen täglich so bewegt, positiv wie negativ. Produziert von Henning Verlage (Unheilig) und Ingo Politz (Silbermond, Joris) ist das nicht ganz überraschend, dass man hier das menschliche Seelenleben sehr poppig in den Fokus gerückt hat und nicht die "schwarze Grufti-Seele" von Staubkind weiter pflegt. Eine Weiterentwicklung die, typisch bei jedem Künstler nicht nur Wohlwollen erntet. Was der sympathisch offen und ehrliche Sänger an diesem Abend mit den Worten kommentiert: "Wenn man die Kommentare so liest, hat man das Gefühl die alten Alben werden eingesammelt".
Dabei hat sich die Band nur einfach von Album zu Album weiterentwickelt und geht unbeirrt den musikalischen Weg weiter, der Louis bis heute ermöglicht seinen ehemaligen Erzieher-Job nicht wieder aufnehmen zu müssen. So spürt man auch beim Konzert die ehrliche Dankbarkeit, die er dem Publikum, dass den Hirsch an diesem Freitag gut füllt, entgegenbringt.
Wie von Staubkind gewohnt startet das Konzert mit einem starken Intro, gesprochen von Christian Schult, der mit seiner Stimme schon Gänsehaut erzeugen kann. Wenn er nicht gerade für DHL, Post oder Porsche diverse Werbejingles einspricht. In Verbindung mit dem ersten zwei Songs "Immer wenn es anfängt" und "Lauter Leben" ist man in der Staubkind Welt wahrlich "Angekommen", wie treffend der Titel von Song Nummer drei mit der Textzeile "Dass alle Träume hier bei mir sind, dass ich hier angekommen bin." feststellt. Das Konzert selbst ist ein Ausflug in die musikalische Staubkind-Welt, die inzwischen aus 5 Alben besteht. Wobei logischerweise das neue Album mit 10 von 12 Songs naturgemäß den Schwerpunkt darstellt. Dabei erweist sich der Song „Mit Kinderaugen" mit dem Appell an die „Großen und Mächtigen dieser Welt, die gar nichts mehr schnallen" als eines der Highlights. Weil die Band hier dem Publikum wieder ins Bewusstsein rückt, sich an die eigene Kinderperspektive zurückzuerinnern. Sich an kleinen Dingen zu erfreuen und sich diese kindliche Unbeschwertheit zu bewahren. Etwas das der Welt, gerade auch dank ihrer unfähigen politischen Führungen, immer mehr abhandenkommt.
Apropos Kinder. Die Frage an das Publikum wer bietet mehr als drei Kinder brachte als Ergebnis, dass man selbst mit 6 Kindern deswegen noch lange nicht auf ein Staubkind-Konzert verzichten muss. Auch die Feststellung, dass jede gutsortierte Frau einen "Knirps" mit sich herumträgt, egal welches Wetter, erwies sich als richtig.
Das Wetter übrigens strahlend schön, hielt Louis Manke aber trotzdem nicht davon ab mit dem Publikum "Durch den Regen" zu gehen und ganz zum Abschluss "Fliegen zu lernen".
Einen kleinen Kritikpunkt verdient das Konzert dann aber doch. Das hat aber nicht die Band, sondern das Publikum zu verantworten, die sich als extrem zurückhaltend, ja fast schön störrisch erwies und schwer zu motivieren war, so sehr sich der Bandleader auch um sie bemühte. Da geht deutlich mehr und das dürfte dann bei den von den 2 Damen aus dem Publikum gedrehten Videos im Vergleich zu anderen Tourstätten auch deutlich zu sehen sein. Ausdrücklich ausnehmen möchte ich hier die junge Dame in meiner Nähe, die quasi das komplette Konzert mitsingen konnte, Textzeile für Textzeile. Wenn Staubkind auf den nächsten Konzerten eine Souffleuse benötigen sollten, in Nürnberg war eine im Publikum. Und das war echt beeindruckend.






Die Galerien des Abends



www.gruftimusik.de / www.konzertreport.de / www.konzertimpressionen.de