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Das 39.Bardentreffen 2014
         Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg
                                                            Mahatma Gandhi


Nürnberg, Innenstadt 01-03.08.2014


Die Macher des 39. Bardentreffens hätten bei Ihrer Planung sicher nicht im Traum daran gedacht, dass das Motto Krieg und Frieden so dramatisch aktuell werden würde. Eigentlich wollte man sich mit dem Beginn des ersten Weltkriegs vor 100 Jahren auseinandersetzen, doch die Aktualität und die Krisengebiete Irak , Syrien, Libanon, Israel, Ukraine, Mali usw. machen das Thema aktueller denn je.

Noa


Und es schnürt einen schon etwas den Hals zu als Noa, Star des Tages auf dem Hauptmarkt und eine der bekanntesten israelischen Sängerinnen das Konzert mit ganz persönlichen Worten beginnt. „Wir erleiden eine Tragödie , unsere Nachbarn eine noch größere und ich frage mich, wie das möglich sein kann. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht verlieren“ beginnt sie ihr Konzert, aber so richtig hoffnungsvoll wirkt sie dabei nicht. Und sie erinnert daran, dass just auf jenem Platz, wo sie heute spielt einmal ein Auftritt einer israelischen Sängerin undenkbar war. „But now we are here“, sagt sie und man merkt ihr an, dass sie dies alles tief bewegt. Und dann steht man traurig im Publikum und lauscht Achinoam Nini, wie Noa mit Geburtsnamen heißt und hofft, dass die große Kämpferin für Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt in ihrer Heimat mit ihren Liedern mehr erreicht, als all die (unfähigen) Politiker und Mächtigen dieser Welt, die dabei sind, eben jene zu Grunde zu richten.  „There must be another way“, ein Lied mit dem sie zusammen mit der palästinensischen Christin Mira Awad für den Grand Prix Eurovision aufnahm und der Textpassagen in Englisch, Hebräisch und Arabisch enthält fordert nur eins, Respekt gegenüber anderen Menschen. Etwas, was vielen heute leider fehlt oder immer mehr abhanden kommt. Und dabei könnte das Leben so schön sein, so friedlich, voller Musik und Freude, jeder der das Bardentreffen 2014 besucht hat, konnte dies spüren.

Pippo Pollina


Zuvor hat bereits Pippo Pollina auf dem Hauptmarkt mit seinen Balladen und Protestsongs einen starken Eindruck hinterlassen. Der kleine Italiener war sich danach auch nicht zu schade sich unter die 20000 Besucher zu mischen und seine CDs zu signieren und mit den Besuchern zu plaudern. Der engagiere Sizilianer der nun seit 30 Jahren musizierend die Welt bereist ist bis heute nicht müde geworden gegen Machtmissbrauch, Korruption und Gewalt anzusingen und dies mit musikalischer Kreativität, einer gefühlvoll und gleichzeitig kraftvollen Stimme, vielen hörenswerten Songs und einer tollen Band.
Allen voran das mit dem großartigen Konstantin Wecker geschriebene Questa Nuova Realta. Und der Anfang des Songtextes  „was für eine Nacht, so warm und geduldig, setzt euch näher zu uns her, schenk noch einmal ein. Heute spricht mal keiner den anderen schuldig, heute läßt mal jeder den anderen anders sein“ könnte auch in einem Werbefilm für das 39. Bardentreffen Verwendung finden. Denn das Nürnberger Bardentreffen, das größte Weltmusikfestival kostenlos unter freiem Himmel vereinte 2014 unter großem Publikumszuspruch an allen 3 Tagen 368 Künstler aus 31 Ländern. Nicht mitgerechnet die ganz vielen Straßenkünstler, die in Gassen, Einfahrten und Ecken stehend, erst den Reiz dieser großartigen Musikveranstaltung ausmachen , immer streng beäugt von den Herren und Damen des Ordnungsamtes, die leider auch diesmal den einen oder anderen Musiker das Spielen verweigerten und auf die Einhaltung des Deutschen Rechts und der Bürokratie pochten.

Oh Lonesome Me


Es sind am Freitag aber nicht nur die großen und bekannten Namen die begeistern, meine persönlichen Highlights des Wochenendes fanden weitab der großen Bühne am Hauptmarkt statt. So wie Oh Lonseome Me , das musikalische Projekt von Carina Schwertner und Anne Stabe, die , obwohl 500 km getrennt in Nürnberg und Berlin lebend nun seit Anfang 2013 zusammen Musik machen. Und wie! Ihr authentischer Akkustik Singer Songwriterpop macht richtig Spaß und erzählt Geschichten, die das Leben schrieb. Allein für diese beiden auf der Bühne über beide Ohren strahlenden hübschen jungen Damen lohnte sich der Besuch des Bardentreffens und ich war mir sicher, das absolute Highlight des Freitags erlebt zu haben.

Nick and June


Bis ich um 22.00 Uhr auf der Straßenmusikerbühne Nick and June spielen hörte, die mich völlig sprachlos machten.
Spätestens nach 2 Liedern ist man dem wunderschönen, zauberhaften, träumerischen Folkpop der beiden hoffnungslos und gnandenlos verfallen. Ob die zwei ein Paar sind, darüber schweigen sie sich bis heute aus, ein musikalisches Traumpaar sind sie allemal. Und mit dem Produzenten von Philipp Poisel (das ist der, der die schönsten und gefühlvollsten Deutschen Popsongs schreibt)  hat man wohl auch den richtigen Produzenten an der Hand, der die Fülle großartiger Songs musikalisch veredeln kann. Und so findet auch die erste CD der beiden reißenden Absatz im Publikum und Flavor und Sin ist auch wirklich klasse geworden. Aber live sind Nick Wolf und June Kalass ein ganz besonderes Erlebnis und noch um ein vielfaches beeindruckender. Weil Junes Stimme da noch mehr zur Geltung kommt und man neben der wunderschönen Musik und den tollen Stimmen die so unglaublich gut harmonieren auch den Charme der beiden sehr schnell hoffnungslos erliegt. Ähnlich erging es mir bei Stephanie Kloß und ihrer Band Silbermond, als ich sie zum ersten Mal live hörte und sie kaum jemand kannte. Damals war ich mir 100% sicher, dass Silbermond eine riesige Karriere vor sich haben, das bin ich mir bei den beiden, vorausgesetzt sie heben nicht ab, auch und zwar sowas von sicher. Die 2 sind ganz ganz groß, das ist Urlaubsfeeling für Augen und Ohren und es macht unbeschreiblich viel Spaß den beiden zuzuhören und beim musizieren zuzuschauen.

El Mago Masin


Dass es ausgerechnet am Tag drauf auf der gleichen Bühne erneut das Highlight des Tages  zu erleben gab hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Aber ähnlich wie Nick and June ist auch El Mago Massin in seiner Art einmalig und einmalig gut. Der 1980 in Roth geborene und bürgerlich Wolfgang Masin heißende Musiker ist irre witzig , manchmal schon fast wahnwitzig. Und er hat ein unglaubliches Gespür für Situationskomik und Spontanität könnte sein zweiter Vorname sein. Und so kalauert, blödelt und quatscht sich Wolfgang El Mago Spontanität Masin durch sein Programm, immer das Publikum im Blick und es entwickelt sich eine Mitmach-Interaktion des zahlreich erschienenen, begeisterungsfähigen Publikums, die das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekamen. Kein Wunder bei Liedern wie Duschgel, der Schweini (Schweinsteiger Kultsong), Kirschkernkopfkissen, und Hepatitis ABC. Und dann gibt es noch den Bratworschtmo, der Massin aus dem Publikum gefischt, so glorreich bei einem Song unterstützte. Und als er seinen „Adoptiveltern“ im Publikum einen Song widmete, die so gar nicht wußten wie ihnen geschah, hätten sicher viele den „Rastafranken“ gerne gleich mit nach Hause genommen.
Der Nürnberger ist Liedermacher, Kabarettist und Wortakrobat, Gitarrist, Alleinunterhalter (im positiven Sinne) und Querdenker in einer Person und wurde völlig zurecht begeistert gefeiert für seinen denkwürdigen einstündigen Auftritt auf der Straßenmusikerbühne. Und nicht nur da, auch an anderer Stelle erfreute er beim Bardentreffen das Publikum, nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. Und es wird wirklich Zeit ihn für 1 Stunde einmal die größte Bühne am Hauptmarkt zur Verfügung zu stellen, nicht auszudenken wenn 20.000 Kehlen lautstark Hepatitis ABC singen. Und das wird passieren. Es müssen nicht immer die großen (Welt-) Stars sein, die Nürnberger Musikszene hat einige tolle Musiker zu bieten die eine große Bühne verdienen so wie Nick and June und El Mago Massin beim 39. Bardentreffen in diesem Jahr und hoffentlich auch im nächsten.

Desiree Klaeukens


Einen wirklich starken Eindruck hat auch die 28- jährige Singer Songwriterin Desiree Klaeukens am Sebalder Platz hinterlassen. Wer zu Depressionen neigt sollte sich die junge Dame allerdings nicht antun. Die sehr ruhigen ziemlich minimalistischen Songs der Duisburgerin, die inzwischen in Berlin lebt und den Job als KFZ Mechatronikerin an den Nagel gehängt hat, strotzen nicht gerade vor Fröhlichkeit. Und da passt auch das Erscheinungsbild der Sängerin dazu . Zum Glück muss man schon fast sagen hatte man mit diversen Tonproblemen zu kämpfen, was der hübschen Sängerin des öfteren ein süßes Lachen ins Gesicht zauberte. Sie kann also auch lachen und sogar richtig herzhaft, auch wenn die Songs das so gar nicht vermuten lassen.
Klauekens ist eigen mit ihrer völlig relaxten neuen Einfachheit, die sie in den Songs präsentiert, aber trotzdem spannend und definitiv einen Konzertbesuch wert.

Carolin No


Das kann man auch von Carolin No behaupten , die im Kultur Garten gut beschützt vor Wind und Regen ihren Auftritt abhalten könnte, während am Hauptmarkt nach einem gewaltigen Regenschauer mit heftigen Windstößen noch Land unter herrschte. Und wer braucht schon Sonne, wenn eine bildhübsche blonde Carolin No mit strahlenden Lächeln auf der Bühne steht und sich sichtbar freut, dass ihr das Publikum trotz Regen erhalten bleibt. Seit 1999 macht sie nun mit Partner Andreas Obieglo Musik und 2007 erschien das Pop-Debüt der beiden. Daraus sind bis heute 3 Alben geworden und seit ihrem ersten Auftritt beim Bardentreffen 2010 hat man bis heute nochmals sichtbar an Routine und musikalischer Qualität gewonnen. Carolin Nos Musik ist teilweise ebenfalls ziemlich minimalistisch mit elektronischen Spielereinen und Beats unterlegt aber trotzdem sehr abwechslungsreich, auch weil man sich nicht vor satten Arrangements und Bombast scheut.  Man darf gespannt sein was von Carlon No in nächster Zeit noch zu hören ist und bei dem strahlenden Anlachen geht einem Fotografen echt das Herz auf, ein ganz lieber und spezieller Dank dafür.

A Kiss from Wendy


Eine ganze Reihe junger sehr hörenswerter Bands konnte man am Samtag am Lorenzer Platz erleben. Das ging los mit A Kiss from Wendy die mit Keyboard und 2 Gitarren schöne (akustische ) Folk-Indie-Musik machen. Wenn eine 18 Dollar Wal-Mart Gitarre jedesmal der Grundstock solch hörenswerter Musik ist, dann sollte man den Musikalischen Nachwuchs ganz schnell damit versorgen.

We Guess


Voll überzeugend fand ich auch den Auftritt von We Guess die mit einem groovigen Indie Rock und einer sehr charismatischen Laura Szep mit 2 großen Katzentattoos auf den Beinen neugierig auf mehr Musik von der jungen Band machten.

Samantha Stollenwerck


Und danach kamen bei Samantha Stollenwerck, einer in Deutschland lebenden Amerikanerin auch die Freunde des American Country zu ihrem Recht , ist der Singer-Songwriterpop der Kalifornierin doch durchaus Newcountry lastig.


Nomfusi


Als echtes Stimmwunder auf dem Hauptmarkt erwies sich die kleine völlig zurecht im (wieder sehr schönen) Programmeft zum Bardentreffen als Soul Sensation aus Südafrika angebriesene Nomfusi. Große Stimme, kleine Person mit viel Charm und einer Power wie ein Duracell-Häschen.

Und so traurig wie die Lebensgeschichte der Südafrikanerin ist (Vater im Gefängnis, Mutter stirbt an Aids als Nomfusi 12 ist und die Tante 3 Jahre später ebenfalls an Aids) so erstaunlich ist ihr musikalischer Wertegang. Und es ist dem Township Kirchenchor in dem die junge Musikerin damals sang hoch anzurechnen, dass man das große Talent schnell erkannt hat , das in ihr steckt und man ihr Unterricht im Gesang und Songwriting ermöglichte. Jeder Cent wurde hier zurecht investiert, Nomfusi haut mit ihrer Energie und Stimme alles um.  Ein beeindruckender Auftritt mit einer sehr starken Chorsängerin als Partner und klasse Band.

April Verch



Erwähnenswert sind sicher auch die Kanadierin April Verch, die als eine der bekanntesten Fiddle- Spielerin Kanadas gilt. Bereits seit ihrem dritten Lebensjahr steht sie nun praktisch ununterbrochen auf der Bühne und die Besucher auf der Insel Schütt konnten sich neben ihrem Gesang und Geigespiel auch an ihren Steptanzkünsten erfreuen.

Dota



Und bevor das Tageshighlight El Mago Massin seinen Auftritt begann konnte man am Sebalder Platz noch etwas der ehemaligen Straßenmusikerin Dota (Kehr)  und ihren Band lauschen. Die als Kleingeldprinzessin startende Musikerin ist nun als Dota und die Strandpiraten einem breiteren Publikum bekannt geworden und es macht wirklich Spaß den Dota Fans zuzusehen, wie sie leidenschaftlich die mal witzig, mal gesellschaftskritischen Songs mitsangen.


Mehr war an den beiden Tagen leider nicht zu schaffen und das ist das aller aller größte Problem dieses Weltmusikfestivals, dass mit 400.000 Etat auch in diesem Jahr ein Muss für jeden Musikfan war. Man kann sich nicht zerteilen.

Und egal welchen Musikstil man bevorzugt, das Bardentreffen bietet für jeden etwas und schließlich gibt es ja auch noch die vielen vielen Straßenmusiker.

SchattenSchweif


So wie SchattenSchweif, die mit Dudelsack bewaffnet, dem Publikum mittelalterliche Klänge näher brachten. Das Bardentreffen mit seinem unbeschreiblichen musikalischen Variantenreichtum von Classic, Jazz, Blues, Pop, Rock, Indie, Folk , Dixie, usw usw ist vor allem eins international bunt und ein Fest für die ganze Familie. Und in diesem Jahr ganz besonders eine laute Stimme für den Frieden in der Welt, der leider bisher weder in der Ukraine noch in Israel oder den anderen Krisenherden angekommen ist.


Übrigens wer aber nur zum gut Essen oder ein Bierchen trinken gekommen ist , selbst der wurde an diesem Wochenende mit einem reichhaltigen Angebot belohnt. Sicher auch am Sonntag, an dem ich leider keine Zeit mehr hatte, hörenswertes hätte es auch da genug gegeben.














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